Der Wienerwald
Biosphärenpark Wienerwald
Die Farce um den ökologischen Erhalt des Wienerwaldes
Wäre der Wienerwald ein Kartenspieler, könnte man sagen: „Er hat schlechte Karten“. Man könnte ihn auch als chronischen Verlierer bezeichnen, der jedermann und jeder Zeit sein Dasein teuer bezahlen musste. Sein ungeschützter Bestand wertvollsten Inhalts bedienten sich die Menschen um ihren eigenen materiellen Reichtum stets zu vergrößern, vergessend, dass ihr Egoismus die Lebensqualität aller anderer herabsetzt und irgendwann sicher verloren geht.
Seine dünnbeerdeten Hanglagen wurden und werden noch immer gerodet, dass allzu oft der gewachsene Untergrund zu Tage tritt. Seine Baumstämme – egal welchen Alters – werden zu Bau- und Brennholz gespalten. Viele seiner Gerinne und Bachläufe sind begradigt und verrohrt. Feuchtbiotope wurden zugeschüttet. Sein landschaftstragendes Gestein wird abgegraben, zu Streusplitt verarbeitet und durch Abfalldeponien wieder aufgefüllt. Dass seine einst schönsten Wald- und Wiesenflanken durch Bauland – trotz strengster Naturschutz-bestimmungen – aber mit gnädigen Kopfnicken einiger Provinzpolitiker – ihrer Schönheit verlustig wurden, versteht sich dabei fast schon von selbst. Und dass ein Großteil der heutigen Spaßgesellschaft ihn als Refugium ihres abgehobenen Lebensstils betrachten, gibt ihm letztendlich auch kein Atout im Spiel ums Überleben.
Warum das alles so läuft? Nun, genau weiß das eigentlich niemand. Vielleicht liegt es daran, dass sich die Menschen an der uralten Regel festhält und sich weiterhin die Welt untertan macht. Aber wie gesagt, so genau dürfte das keiner wissen.
Wie am Beginn schon erwähnt, war die Ausbeutung der Landschaft zu jeder Zeit mehr oder weniger adäquat. Doch während in früheren Zeiten die ökologischen Wald- und Wiesenschädigungen regional begrenzt waren und einen Heilungsprozess innehatte, werden die Schäden aliquot zur Neuzeit, immer irreparabler.
Die Farce beginnt im Jahre 1863…
…Nach der blutigen Niederschlagung der völkischen Aufstände in Österreich und Ungarn sowie den familieninternen Querelen zwischen Erzherzog Maximilian und seinem Bruder Kaiser Franz Joseph, geriet Österreich in einen unaufhaltsamen Auflösungsprozess der schließlich durch macht- und geltungssüchtige, menschenverachtende Kriegshandlungen (1849 Novara, 1859 Magenta und Solferino) und nationalen Fehlentscheidungen in eine langfristige Finanzkrise steuerte. Das führte dazu, dass das damalige Finanzministerium unter Max Freiherr von Beck daran ging Steuern, Gebühren und Abgaben drastisch zu erhöhen und schlussendlich einigen wirtschaftsunfähigen Politiker die irrwitzige Idee kam, 1863 das unbewegliche Staatsvermögen wie Wald und Wiesen, Gewässer, Forstgebiete und ähnliche Werte zu veräußern.
Ein Ausverkauf der sich in unserer Generation noch wiederholen sollte!
Noch im gleichen Jahr wurden große Waldgebiete an einen Holzhändler, namens Löwy um 750.000 Gulden verkauft. Löwy wiederum verkaufte das Gebiet – nachdem er genug Holz herausgeschlagen hatte – an ein ausländisches Konsortium (Verantwortliche Namen wie Götz und Andrée werden genannt) um angeblich eine Million Gulden. Diese Genossenschaft schlägerte gewinnorientiert bis in den entlegensten Winkeln und verkauften das ausgeräumte Gebiet wieder an die Forst-AG – diesmal um veranschlagte drei Millionen Gulden. Diese Aktiengesellschaft verkaufte nun weiter an all jene, die bereit waren ihre Finanzvorstellungen zu erfüllen – egal wie danach die Landschaft auch aussah. Eine Taktik die irgendwie bekannt vorkommt, den seit 1. Jänner 1997 wurde nämlich ohne viel Aufsehens auch aus den Österreichischen Bundesforsten eine AG mit kaufmännischen Grundsätzen. Namen von gewissenlosen Händlern wie Siemundt, Kirchmeyer oder der Bauunternehmer Stroußberg jagen Insider noch heute den Schweiß auf die Stirn. Ich nehme an, es erübrigt sich darauf hinzuweisen welche horrenden Summen von den Erlösen des Volkseigentums zu den Privathändlern damals flossen – während die Bevölkerung zwischen Arbeitslosigkeit und wirtschaftsvernichtender Steuerschraube wählen durfte.
Um diese Verkäufe auch einigermaßen gesetzeskonform durchführen zu können wurde ganz legal und vorschriftsmäßig ein „Staatsgüter – Verschleißbüro“ unter der Leitung eines Mannes namens Dr. Gobbi gegründet. Im Volksmund wurde es „Verschleuderungsbüro“ genannt. Übrigens ähnlich einer Bundesforst-AG nach heutigen Gesichtspunkten, wie viele meinen. 1866 mehrten sich erstmals in den versteckt gelegenen Waldfluren des Wienerwaldes die umfangreichen Holzschlägerungen, meist noch unbemerkt von der Öffentlichkeit. Versteckt darum, weil die Politiker den Unmut der Randbevölkerung von Wien und die vielen Bewohner selbst fürchteten.
Dass sie ihre gewinnorientierten Verkäufe einigermaßen rechtfertigen können, bedienten sich die damaligen Behördenvertreter selbstverständlich auch der einstigen Zeitungsherausgeber. In den auflagenstärksten Druckblättern und Illustrierten wurde den Lesern ungeniert die Notwendigkeit der Grundverkäufe vorgegaukelt, meist mit dem belehrenden Hinweis, dass nur durch die Veräußerungen finanzielle Schäden abgewendet werden können.
Ab 1867 mehrten sich die Abholzungen im Wienerwald. Entlang der Forstwege stapelten sich reihenweise die Bloche von Buchenscheitern. Für das Jahr 1867 wurden 8000 Klafter (1 Wiener Kubikklafter = 6,82 m³) ausgewiesen, ein Jahr später, 1868, kamen 13 000 Klafter dazu. Allesamt also etwa 21000 Klafter oder weit mehr als 143.000 Kubikmeter. Zurück blieben einzelne Bäume inmitten eines Kahlschlages – zur natürlichen Wiederaufforstung – wie die Förster zu sagen hatten (und heute wieder praktizieren).
Einer der Hauptverantwortlichen war damals Finanzminister Dr. Rudolf Brestel (16.05.1816 – 03.03.1881), ein Politiker dem fast jedes Mittel recht war um das selbstverschuldete Staatsbudget zu sanieren. Während Brestl sich gern in der Öffentlichkeit als Lebemann und Schönling präsentierte, außerdem Mitglied des Reichsrats war, kümmerte es ihn überhaupt nicht, wie weit der Wald- und Wiesengürtel rund um Wien geschädigt wurde. 1870 ließ er – da von der breiten Bevölkerungsschicht noch kein besonderer Widerstand kam – weitere 750.000 Klafter einschlagen und weitere 5.400 Joch in „abseits“ gelegenen Forsten verkaufen.
Das sind runde 34.000 Quadratmeter.
Denkt man an die Wald- und Wiesenflächen – die ebenfalls zur Budgetsanierung in unserer Zeit verkauft wurden, – geradezu eine Lächerlichkeit zu heutigen Landverluderung und den Umwidmungen.
Den k. k. Forstleuten von einst, wurde per Weisung natürlich auch ein Redeverbot angeordnet. Die Presse schwieg ohnedies profitorientiert – sie wollte sich die Einnahmen von den Werbeeinschaltungen der Industrie und des Handels schon damals nicht entgehen lassen. Die umgewidmeten Naturflächen sollten von korrupten Beamten später parzelliert werden. Moriz Hirschl – ein Wirtschaftsspekulant der übelsten Sorte – wird dabei als einer dieser Hauptnutznießer samt einigen anderen Grundstückspekulanten genannt. Die Gemeinde Wien verhielt sich gegenüber dem Ausverkauf von Staatseigentum eher gleichgültig. Das Hauptgebiet des Wienerwaldes lag schon damals im heutigen Niederösterreich
Dieser Ausverkauf der Österreichischen Landschaft rief einen couragierten Bewohner des Wienerwaldes auf den Plan. Sein Name:
In einer bis dahin noch nie da gewesenen Kampagne nahm der ehemalige k.u.k. Offizier, Landtagsabgeordneter und spätere Bürgermeister von Mödling Joseph Schöffel von 1870 – 1872 einen publizistischen Kampf auf, der zur damaligen Zeit geradezu undenkbar war und den Beginn einer neuen Ära einleiten sollte. Wenngleich auch Schöffel gegen korrupte Politiker und Umweltspekulanten auftrat, so hatte er doch einen geradezu unbeschreiblichen Vorteil gegenüber heutigen Zeiten:
Er agierte in einer Welt die noch nicht reizüberflutet war, dadurch bedeutend mehr Aufmerksamkeit hervorrief und in einer Gesellschaft, die trotz Korruptions-Gelüsten und Machtgehabe auch eine relativ hohe Hemmschwelle bei der Umsetzung ihrer Taten hatten.
Eine weitere tatkräftige Hilfe wurde ihm durch den Journalisten Ferdinand Kürnberger und Josef Klemm, einem Gemeinderat aus Wien, zu teil. Während Kürnberger seine Kontakte zur Presse nochmals ausreizte, brachte Klemm im Wiener Gemeinderat einen Dringlichkeitsantrag zur Einstellung der Verkäufe im Wienerwald ein.
Damit begann die Auseinandersetzung zwischen engagierten Bürgertum und Behördenwillkür in die erste Runde zu gehen:
Viele Freunde warnten ihn noch eindringlich vor seinem geplanten publizistischem Kampf gegen die österreichische Mafia, wie sie die honorigen Herren nannten.
An eine Verhinderung des Ausverkaufs von österreichischen Boden und Industrieanlagen, glaubte ohnedies niemand mehr.
Am 20. April 1870 schrieb Joseph Schöffel im „Wiener Tagblatt“ unter dem Chefredakteur Moritz Szebs sinngemäß: „…dieser Teil von Österreich soll nun stückweise an Spekulanten verkauft und verwüstet werden, votiert von jenen Politikern, die ohne Bedenken das ihnen anvertraute Vermögen des Volkes, für ihre eigenen Interessen verwenden …“
Zu den Redakteuren orakelte er: „Man wird uns vorgaukeln, dass von einem Verkauf des Wienerwaldes keine Rede sei und man bloß einzelne isolierte Flächen verkaufen will. Dem werden wir aber entgegnen, dass das nicht stimmt und ihnen dafür unsere Beweise vorlegen …“
Dabei forderte er die interessierten Leser auf, einmal einen Ausflug in die nahen Waldungen zu machen, um sich ein Bild über die entstandenen Schäden an Waldfluren und der großen Holzschlägerungen zu machen (… eine Situation, die übrigens an Aktualität keineswegs verloren hat – ganz im Gegenteil …).
Bei dieser Gelegenheit nannte er auch die Beamten Tschuppik und Deimel, deren einziges Anliegen es war Profit zu machen und nicht auf die einzigartige „Grüne Lunge“ Wiens zu achten.
Pro Woche folgten nun zwei weitere Artikel, in welchem er die Ausführungen der obersten Forstverwaltung rücksichtslos kritisierte und auf die verhängnisvollen Folgen hinwies, welche diese Verkäufe und Schlägerungen nach sich ziehen. Er schilderte Details, die vorher niemand kannte, er wies auf die Handlungen die hinter vorgehaltener Hand, als neuen Typus des Missbrauchs der Amtsgewalt gehandelt wurde und er forderte die Bevölkerung auf, endlich tätig zu werden und dem Wahnsinn der Umweltzerstörung Einhalt zu bieten.
Unerwartete Unterstützung bekam Schöffel zu dieser Zeit durch den Wiener Gemeinderat. Dieser berief eine gemischte Kommission von Gemeinderatsmitgliedern und Sachverständigen, welche den Wienerwald bereiste, an Ort und Stelle den Tatbestand aufnahm und über das Ergebnis Bericht erstattete. Fürst Colleredo-Mansfeld, sowie anerkannte Forstexperten, veranstalteten Wanderversammlungen und sprachen sich eindeutig gegen die entstandenen Schäden im Wald- und Wiesengürtel aus.
Jetzt reagierten erstmals die vom Staat eingesetzten Beamten und die Funktionäre der damit betrauten Stellen. In mehreren Anschuldigungswellen wurde Joseph Schöffel wegen Ehrenbeleidigung, Verleumdung und Aufhetzung gegen die Staatsgewalt angeklagt. Vom Untersuchungsrichter Landesgerichtsrat Dr. Fischer zwar mehrfach einvernommen, entging Schöffel jedoch jedes Mal einer Schlussverhandlung, da sowohl die Privatkläger als auch die Staatsanwaltschaft ihre Klagen jedes Mal zurückzogen. Manche Zungen behaupteten, dass es eine gewisse Freundschaft zwischen dem Untersuchungsrichter und Schöffel gab, da dieser die ehrliche und hehre Absicht Schöffels verstand, schätzte und ihn gegenüber der Politwillkür schützen wollte.
Finanzminister a. D. Brestl entblößte sich sogar, Schöffel als laienhaften Nichtakademiker zu bezeichnen, der ausschließlich vom Zeilenhonorar leben muss. Diese Erklärung rief einen Sturm der Entrüstung herbei und veranlasste Schöffel einen Offenen Brief an Se. Exzellenz den Landtagsabgeordneten Dr. Brestl zu verfassen, indem er ihm seine moralischen und charakterlichen Verfehlungen Punkt für Punkt auflistet und erstmals die „Staatsgüterverschleuderungsaktion“ im Detail anspricht. Dabei nennt er die Dinge beim Namen und bringt wiederholt Beweise für die Güterveräußerungen des Wienerwalds an Spekulanten und an Aktiengesellschaften. Und er konfrontiert Dr. Brestl mit dessen niederträchtigen Willkürtaten gegenüber kritischen Untergebenen, er wirft ihm wirtschaftlichem und menschlichen Unverstand vor und bezeichnet ihn schlichtweg als selbstgefälligen Politiker. In einer Serie von Artikel unter den Titeln „Wienerwaldgeschichten“ und „Portofreie Briefe aus dem Wienerwald“ veröffentlichte Joseph Schöffel weiterhin die Handlungen jener Beamter die im Hintergrund die Fäden zogen. Namen wie Rosenfeld, Gobbi, Neuwall, Kurz, Deimel, Tschuppik, Kirchmeyer-Siemundt und Hirschl wurden hier genannt. Unterstützt wurde Schöffel durch Ferdinand Kürnberger, der mittels Kurzgeschichten („Dieb-sein währt am längsten“ oder „Was der Kahlschlag erzählt“ ) ebenfalls gegen die verschleierten Manipulationen der Regierung vorging.
Schöffel hoffte zu diesem Zeitpunkt noch immer, dass die Regierungsstellen an einer Überprüfung der Vorgänge interessiert sei und schickte naiv Artikel für Artikel an das damalige “Wiener Tagblatt” in der Hoffnung, einen medialen Verbündeten zu haben. Den Redakteuren dürfte es einigermaßen egal gewesen sein, was sich im damaligen Grüngürtel abspielte und brachte einige der Artikel nicht im aktuellen Teil ihrer Zeitung, sondern irgendwo in den Beilagen (interessant, wie sich die Zeiten gleichen). Nachgefragt, erfuhr er, dass es den meisten egal sein dürfte, wer oder was den Wienerwald für diverse Interessen nutzt.
Schöffel verfasste Brief für Brief, unter anderem auch an den Stadthalter von Niederösterreich, vergleichbar mit der heutigen Landeshauptfrau bzw. dem Landeshauptmann und forderte mehr “Redlichkeit” in der Sache, beziehungsweise ihm – dem Joseph Schöffel als Aufdecker – nicht als Verleumder hinzustellen und wenn doch, dann die Causa doch endlich vor Gericht abhandeln zu lassen um die Richtigkeit seiner Vorwürfe bezeugen zu können.
Geraume Zeit später, es geschah unmittelbar nach einem an ihn gerichteten Bestechungsversuch mit einer Summe von 50.000 Gulden, wurde Schöffel nächtens durch den Forstwart Sladek vom Wassergspreng aufgesucht, wobei ihm dieser aufgeregt mitteilte, Zeuge eines Gesprächs gewesen zu sein, dessen Inhalt den Unfalltod Schöffels beinhaltete. Dabei sollte der Tod als Jagdunfall dargestellt werden sollte und der “Unglücksschütze” noch mit persönlichen Vorteilen bedacht werden sollte. Es erübrigt sich wohl darauf hinzuweisen, dass von nun an Schöffel auf jegliche Jagdeinladung verzichtete.
Vom “Wiener Tagblatt” im Stich gelassen, versuchte er über die neu gegründete “Deutsche Zeitung” Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, vergebens! Wenn gleich einige aufgezeigte “Umweltfrevel” in die Öffentlichkeit gelangen, so war die Angst der Zeitungsmacher vor der Obrigkeit allgegenwärtig. Nicht selten, dass die Justiz Zeitungen konfiszierten, wenn ihnen Meinungen der Redakteure zu couragiert erschienen. Zu all der Ungerechtigkeit gesellte sich am 5. Februar 1871, die Nachricht von der Einstellung der gerichtlichen Untersuchung gegen die des Amtsmissbrauch beschuldigten Beamten, durch das Wiener Landesgericht. Ein weiterer Willkürakt der involvierten Beamten, da der amtshandelnde Untersuchungsrichter jeden Zeugen den er vernahm, dermaßen einschüchterte, dass sich diese jede Äußerung über ihre erlebten Machenschaften im Wienerwald enthielten. Damit wurden gleichsam die nachweislich Schuldigen, in den völligen Unschulds-Modus gestellt. Damit war aber auch gleichzeitig der juristische Weg frei zum Gegenangriff, um den Aufdecker Joseph Schöffel zum Schweigen zu bringen.
…Fortsetzung folgt